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Marianne Putziger - Loosing Loops
03.11.2002 bis 08.12.2002

Ausstellungseröffnung

Eröffnung: 03.11.2002 , 11 Uhr vernissage

Begrüßung: Walter Rinke

Es spricht: Andrea Fink

Soundperformance: Ralf Tibor, localization ton und geräusch im raum

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.

Informationen zur Ausstellung

Biographie

  • 1973 geboren in Buenos Aires, Argentinien
  • 1993 Grafik-Design an der FH-Dortmund, Studium bei Prof. Margareta Hesse und Apostolos Palavrakis
  • 1996 Kunstakademie Belles Arts Barcelona, Spanien
  • 2001 1. Otto-Bahrenburg Förderpreis für junge Kunstausstellungen
  • 1998 Irrlicht, Malerei, Galerie fb2 keller, FH Dortmund
  • 1999 In your eyes, 113h Performance mit Georgios Kotrotsios, Galerie fb2, FH Dortmund
  • 2000 Loosing loops, Malerei, Schloßgalerie Nordkirchen Drop, Video/Tanz Performance mit Alexandra Waierstall, Tanzhaus nrw, Düsseldorf Drop, Videoinstallation, DASA, Dortmund Loosing loops, Malerei, Art Cologne, Präsentation des WDR, Köln
  • 2001 Join the water, Malerei Performances, Wuppertal Night crossing, Installation/Performance, mit Susanne Henning, Dortmund-Hafen
  • 2001 Loosing loops, Malerei, Torhaus Rombergpark, Dortmund
  • 2002 Loosing loops, KunstVerein Ahlen


Katalogbeitrag Andrea Fink
[loosing loops 1999-2002]

Die Werkgruppe von Marianne Putziger mit dem Titel "loosing loops" wandelt sich, ist vielschichtig. Geben die Werke aus den Jahren 1999 bis 2000 ein Spektrum intensiver dynamischer Farbaktionen wieder, so intim zurückhaltend entwickelte sich das Grundschema der "loops" seit 2001 konsequent weiter. So unterschiedlich der Ausdruck dieser Werke in den vergangenen Jahren auf den ersten Blick auch sein mag, die zentralen Themen ihrer Malerei sind gleich geblieben: Empathie (empathy) bzw. Mitgefühl für das, was anders ist als man selbst, Fragen (frage) und Reflektionen als Ausgangspunkt der eigenen künstlerischen Arbeit, körperlicher (körper) Ausdruck (handlung) in Form von gestischer Malerei und Bewegung (movement), die sich in Linien (linie) auf der Leinwand manifestiert, im übertragenen Sinne kommen diese Linien tänzerischen Spuren im Raum (space) gleich und Begeisterung (verve) für die Kunst und das Leben bilden den Ursprung des Kunstwollens von Marianne Putziger.

Im Zeitraum der Jahre 1999 und 2000 arbeitete Marianne Putziger großformatige, das menschliche Körpermaß meist knapp übertreffende Leinwände. Begrifflichkeiten wie 'Ausdehnung' und 'Ausweitung' sind in diesem Zeitraum zentrales Thema ihrer Malerei geworden.Erfahrbar wird Farbe ausgebreitet auf der Leinwand: immer wiederkehrend sind Grau und ein dunkles Rot, auch gedeckte Blautöne, abgemischtes Gelb erscheint ebenfalls. Häufig wird diese Farbe auf den Malgrund geschüttet, um dann in breiten gestischen Bahnen flächenhaft verstrichen zu werden.

Marianne Putziger setzt ihren ganzen Körper ein, wenn sie ihre Farbformen verteilt; sie arbeitet mit dem gesamten Radius ihrer körperlichen Ausdehnungsmöglichkeiten. Aus vielen Schichten baut die Künstlerin ihre Werke auf, setzt Farbschicht auf Farbschicht; ihre Bilder wachsen von unten nach oben, von innen nach außen. Aber nicht nur in der Fläche wird hier Ausdehnung geschildert, auch das Aneignen eines geistigen Ortes ist gemeint.

Neben die in ihrer Kontur nicht exakt fassbaren Farbflächen kombiniert die Künstlerin in sich geschlossene, sehr bewußt und bedachtsam gesetzte Formen. Dies sind die 'loops', Kringel, Rundungen, Kreisformen, die der Werkserie auch ihren Titel geben. Einerseits stehen sie im Gegensatz zu den großen freien Farbfeldern und bewahren diese vor dem Ausufern, andererseits schwimmen und schweben sie über die Farbflächen gleichsam hinweg - sind ungebunden und frei. Der Titel "loosing loops" wird nachvollziehbar.

Marianne Putziger interessiert sich für den Prozeß des Malens selbst: das Austarieren der gegensätzlichen Farbwerte, die leichteren und die schwereren, die kalten und warmen Töne. Sie wägt die offenen Formen und die geschlossenen miteinander ab, die energievoll sich ausbreitenden und die konzentriert geschlosseneren. Die Künstlerin arbeitet mit malerischen Gegensätzen, die sie in einer stimmigen Komposition zu Ausgleich und Harmonie bringt.

Die Arbeiten der Werkgruppe "loosing loops", die von 2001 bis 2002 entstanden sind, distanzieren sich kaum vom Thema der Ausdehnung, obgleich die Resultate zunächst vollkommen von einander geschieden wirken. Man könnte die Vermutung äußern, es geschähe in diesen Werken sehr wenig, schlösse man vorschnell von der minimalen künstlerischen Geste auf die davor notwendige Aktion und den daraus resultierenden Ausdruck. Erkennbar sind lose Strichfolgen aus Ölkreiden, teilweise Ölfarbe und Kohle; häufig werden diese lediglich vereinzelt auf das Papier gesetzten Lineaturen wieder aufgehoben, verwischt, verunklärt. Aus diesen scheinbar belanglosen Lineaturen, kargen Strichen, nur schwach erkennbaren Punkten entstehen Formengebilde, die sich jeglicher Bekanntheit, Wiedererkennbarkeit entziehen; außer daß sie innerhalb des Werkes der Künstlerin bekannt sind: "loops", Kreisformen, die aus den schnell geführten, um sich selbst kreisenden Strich entstehen.

Auf den großen Flächen erscheinen hier im Unterschied zu den zuvor entstandenen Werken weniger "loops" in Form von Farbausdehnungen, Farbexplosionen, einem Farbrauschen nahe kommend, vielmehr bleiben große Teile der Flächen weiß und leer.

Die Werkgruppe "loosing loops" von Marianne Putziger der vergangenen zwei Jahre ist einfach, klar und doch gleichzeitig komplex. Wahrscheinlich ist es leichter, ein Blatt unreflektiert mit unendlich vielen Linien und Farben anzufüllen, als das Weiß, die Leere des Blattes Papier stehen zu lassen. Wo Leere ist, wo Freiraum ist - von keiner lautstarken Unterhaltung, keinem dröhnenden Fernsehen oder Radio, keinem Großstadttreiben gestört, dort wo annähernd nichts zu hören oder zu sehen ist - dort sind nur noch wir selbst. Hier ist nur noch die eigene Person, die eigene Geschichte und mit dieser gilt es, sich zu konfrontieren. Diese Sichtweise auf die Werke kommt eher einer fernöstlichen als einer europäischen Betrachtungsweise näher und findet seine Grundlage in der Technik der Meditation. Die Bilder laden gleichsam dazu ein, Ausdruck meditativer Handlungen zu sein: In der Meditation versenkt sich der Mensch zunächst in sich selbst und versucht alle anderen Gedanken zurückzudrängen. Dort wo er tiefer als in sein Selbst treibt, begegnet er einem absoluten Bewußtseinszustand. Nur in dieser Art des Rückzugs überwindet der Mensch das eigene Ich, sein Ego, welches ihn treibt. Meines Erachtens setzt die Malerei von Marianne Putziger, gerade in den jüngst entstandenen Arbeiten, diese intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich sowie der Umwelt voraus. Die Kenntnis, der auf fernöstlichen Philosophien basierenden Art der Auseinandersetzung mit Leben, eröffnet das Werk in seiner tiefen Aussagekraft. Die Leere, die in den Bildern jetzt erlebbar wird, kann dann nicht mehr als eine unbelebte Leere empfunden werden. Vielmehr ist in dieser Leere wiederum all das vorhanden, was die Malerei von Marianne Putziger prägt: empathy, frage, handlung, körper, linie, movement, space und verv.